Bringt der neue Entwurf des Gasversorgungsgesetzes den erhofften politischen Durchbruch?

Bringt der neue Entwurf des Gasversorgungsgesetzes den erhofften politischen Durchbruch?

Eine Auslegeordnung von erwartbaren Auswirkungen auf Verbraucher:innen, Umwelt und Netzbetreiber 

Der Bundesrat hat Mitte September einen überarbeiteten Entwurf des Gasversorgungsgesetzes (GasVG) in die Vernehmlassung geschickt. Was nützt dieser den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern? Was sind die Auswirkungen auf die Umwelt im Kontext der Dekarbonisierung? Und welche Folgen hat es für die Gasnetzbetreiber? Unsere Auslegeordnung zeigt Vorteile auf, welche diese Gesetzgebung und die damit verbundene Regulierung mit sich bringen würde. Ob der politische Wille für eine Neuregulierung für diesen abnehmenden Markt besteht, ist indes sehr unsicher. Es würde nicht erstaunen, wenn die Schweiz den Zeitpunkt für eine angemessene Regulierung des Gasmarktes schlicht verpasst hat. 

Artikel zum Download


 

1. Eckwerte des Gasversorgungsgesetzes (GasVG) 

Mit dem GasVG, welches seit Mitte September und noch bis am 19. Dezember 2025 in der Vernehmlassung ist, will der Bundesrat Massnahmen für die Versorgungssicherheit einfacher umsetzen können, den Marktzugang für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher regeln und die Umstellung auf erneuerbares Gas begleiten.(1)  

Im Bereich der Versorgungssicherheit werden die bisherigen Verordnungen über die Winterversorgung mit Vorgaben zur Einspeicherung von Gas im Ausland und allfälliger Sicherung von Rechten zum Gasbezug neu im Gesetz geregelt. Mit der Schaffung eines nationalen Marktgebietsverantwortlichen und mit der Beauftragung der ElCom (neu EnCom) als Regulierungsbehörde auch für das Gas werden zwei Institutionen geschaffen bzw. erweitert, mit deren Hilfe die Versorgungslage und Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung zentral überwacht werden können.  

Im Bereich des Marktzugangs ist neu (und im Unterschied zum vormaligen Entwurf) für alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher die freie Lieferantenwahl vorgesehen. Dies geht einher mit der heutigen Situation, in welcher seit dem Entscheid der Wettbewerbskommission (WEKO) vom 4. Juni 2020 der Markt grundsätzlich offen ist.(2) So sind Lieferantenwechsel grundsätzlich heute schon möglich, aber die Transaktionskosten sind hoch und die Wechselbedingungen intransparent, so dass bisher primär wenige Grosskunden mit Unterstützung von Energiedienstleistern effektiv Lieferanten wechseln. 

Im Bereich der Umstellung auf erneuerbares Gas werden die Gasnetzbetreiber in die Pflicht genommen, Netzentwicklungspläne zu erstellen, in welchen sie aufzeigen, wo sie das Netz allenfalls ausbauen, aber vor allem auch, wo sie es in Abstimmung mit der kantonalen und kommunalen Energieplanung stilllegen werden. Sind Stilllegungsdaten definiert, dürfen die Anlagen auf diesen Zeitpunkt hin abgeschrieben und diese Abschreibungen den Netzentgelten angerechnet werden. Das Thema Wasserstoff wird jedoch abgegrenzt – Investitionen in die Wasserstofftauglichkeit der Leitungen sind nur anrechenbar, wenn sie unerheblich sind.(3)  

2. Auswirkungen auf Endverbraucherinnen und Endverbraucher 

Was bedeutet dies nun für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher? Die Mehrheit der Endverbraucherinnen und Endverbrauchern bezieht heute das Gas bei demjenigen Versorger, bei welchem sie auch an das Netz angeschlossen sind. Die Möglichkeit, einen anderen Lieferanten zu wählen, dürfte ihnen gar nicht bekannt sein. Umgekehrt ist es für Lieferanten aufgrund der hohen Transaktionskosten (insbesondere mehrere einzeln abzuschliessende Verträge pro Netzebene, Umrüstung Messinfrastruktur) auch nicht sehr attraktiv, kleinere Kunden zu beliefern. Das GasVG reduziert die Aufwände für einen Drittlieferanten, so dass zu erwarten ist, dass es hier eine aktivere Kundenansprache bis in das Kleinkundensegment geben wird. Endverbraucherinnen und Endverbraucher erhalten so Angebote von mehreren Lieferanten und können potenziell günstiger Gas einkaufen.   

Endverbraucherinnen und Endverbraucher erhalten auch mehr Rechte, so können sie bei einem Lieferantenwechsel wählen, wer den Gasbezug messen soll (Art. 23 E-GasVG) und ihr Zugriff auf die Messdaten wird geregelt (Art. 24 E-GasVG). Zudem werden die Entgelte für Energie, Netznutzung, Messung sowie Abgaben und Leistungen an das Gemeinwesen auf der Rechnung transparent dargestellt.  

Im Gegensatz zum Strom ist beim Gas keine «regulierte Versorgung» vorgesehen. Dies da der Markt heute bereits geöffnet ist und in der Schweiz auch kein flächendeckender Anspruch auf eine Gasversorgung besteht. Wer seinen Lieferanten als zu teuer empfindet, kann sich an die Preisüberwachung wenden – oder einfach den Anbieter wechseln.  

Auch institutionelle Liegenschaftseigentümer oder Kunden mit mehreren Standorten («Multisites»), welche teilweise bereits heute ihren Lieferanten frei wählen, profitieren von einem gesetzlich geregelten Marktzugang, weil dann in der ganzen Schweiz die gleichen Netznutzungsbedingungen gelten. Dank dieser Standardisierung und der Reduktion von heute vier Bilanzzonen auf eine einzige (4) wird es deutlich einfacher, die eigenen Liegenschaften oder Standorte schweizweit durch einen einzigen Lieferanten beliefern zu lassen.  

3. Auswirkungen auf die Umwelt 

Wer vom GasVG einen Fahrplan zur Dekarbonisierung erwartet, wird enttäuscht. Dies ist allerdings nachvollziehbar, da das Netto-Null-Ziel in anderen Regelwerken adressiert ist, so im Klimaschutz- und Innovationsgesetz (5) und im CO2-Gesetz (6), aber auch in den kantonalen Energiegesetzen und deren Weiterentwicklungsplan, den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn). Die MuKEn 2025, welche erst noch in die kantonalen Energiegesetze zu integrieren sind, schreiben beim Heizungsersatz einen Verzicht auf fossile Energieträger vor; ab 2050 sollen alle Heizungen fossilfrei zu betrieben werden.   (7) Damit wird der Absatzmarkt für Erdgas entfallen – für erneuerbares Gas bleibt er bestehen.  

Mit dem GasVG soll jedoch die Planung der zu erwartenden Netzstilllegung sowie die Koordination mit den Energieplanungen von Kantonen und Gemeinden verbindlich sichergestellt werden. Im Erläuterungsbericht wird klargestellt, dass die kantonalen und kommunalen Energieplanungen den Plänen der Gasnetzbetreiber übergeordnet sind. Die Pflicht zu Netzentwicklungsplänen rennt teilweise offene Türen ein, da sich in Anbetracht der beschleunigten Energieträgerwechsel viele Versorger sowieso Gedanken zur Netzentwicklung machen. Die neue Vorgabe würde hier den Handlungsdruck auf Netzbetreiber, welche bisher keine Planungen erstellt bzw. kommuniziert haben, erhöhen und die Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden forcieren.  

Was im Gesetz fehlt, sind Vorgaben zu Biogasanteilen – etwas, was der Bundesrat 2023 noch als Eckwert für die Überarbeitung des Entwurfs des GasVG von 2019 definiert hatte.(8) Im Gegensatz zum Strom will der Bundesrat offenbar keine Vorgaben zu erneuerbaren Anteilen beim gelieferten Gas machen. Umsetzbar wären solche Vorgaben nicht über eine Grundversorgung, da eine solche nicht vorgesehen ist, sondern über ein Quotenmodell, also eine Vorgabe über einen Mindestanteil Schweizer Biogas für alle Lieferanten, welche in der Schweiz Endverbraucherinnen und Endverbraucher beliefern. Eine solche Quote würde den Schweizer Biogasproduzenten Absatz garantieren, ohne einzelne Lieferanten im Wettbewerb zu benachteiligen. Allerdings machte die Einspeisung von Schweizer Biogas im Jahr 2024 nur knapp 2% des Endverbrauchs aus (9) – eine Quote dürfte demnach auch maximal so hoch sein, was wenig bringt. Zudem stünde eine Quote in Konkurrenz mit Regelungen aus kantonalen Energiegesetzen, mit denen ein Heizungsersatz mit Gas unter Beizug von Schweizer Biogas möglich ist. Die Quotenmengen würden dann für die Umsetzung der kantonalen Regeln fehlen.  

Erwähnenswert ist zudem, dass das GasVG nicht nur ein Ausspeiseentgelt, sondern auch ein Einspeiseentgelt vorsieht, welches explizit auch für die Einspeisung von Biogas in das Gasnetz gilt. Dies wird Schweizer Biogas verteuern, was dessen Absatz nicht zuträglich ist. Zur Förderung von Biogasanlagen wird im Erläuterungsbericht auf CO2-Gesetz und das KIG verwiesen – allerdings könnte die Förderung von Biogasanlagen dem Rotstift zum Opfer fallen.(10) Auch mit dem GasVG müssen Biogasanlagen also auf eine Förderung durch den Bund verzichten, so dass der Biogasfonds der Branche gefragt bleibt.  

4. Auswirkungen auf die Gasnetzbetreiber 

Gasnetzbetreiber dürften das GasVG eher kritisch sehen. Der Gasmarkt war inklusive Netznutzung bisher nicht reguliert – daher dürfte alles, was in diesem durchaus schlanken Gesetz drin steht, als Einschränkung der unternehmerischen Freiheit empfunden werden. Beispielsweise haben die Netzbetreiber bereits bisher die Netznutzung in der Kostenrechnung getrennt von der Lieferung dargestellt – aber unter dem GasVG müssen sie die Netzkosten von der EnCom überprüfen lassen. Netzentwicklungspläne wurden auch bisher schon erstellt, aber nun müssen sie der EnCom vorgelegt werden.  

Der grösste Vorteil für die Gasnetzbetreiber dürften die Rechtssicherheit und einheitliche Regelung beim Netzzugang sein. Eine freiwillige Kooperation der Netzbetreiber war bisher nur unter dem Risiko möglich, dass die WEKO dies als Wettbewerbsabrede nach Art. 5 Kartellgesetz ansieht. Standardisierungen von Netzzugangs- und Netznutzungsbedingungen ermöglichen jedoch eine effiziente Abwicklung von Wechselprozessen, was auch im Sinn der Netzbetreiber ist. Zu denken ist hier etwa an die Definition von Datenformaten oder die Nutzung des neuen, mit dem Stromgesetz vorgegeben Datahubs. Einheitliche Regeln und damit Rechtssicherheit wird auch bei den Regeln für die Kapazitätsbuchungen auf dem Transportnetz oder bei der Anrechenbarkeit von Flexibilitätsentschädigungen für Zweistoffkunden geschaffen. Die aktuelle Situation, in welcher es mit der Verbändevereinbarung (11) von 2012 und den Allgemeinen Netznutzungsbedingungen für die Schweizerischen Erdgasnetze von 2015 zwar Marktregeln für die Durchleitung von Prozessgaskunden gibt, welche aber für eine vollständige Marktöffnung mässig geeignet sind und welche nun seit 10 Jahren nicht mehr weiterentwickelt wurden, ist jedenfalls unbefriedigend.  

5. Fazit 

Das neue, schlanker ausgestaltete GasVG würde Rechtsicherheit für alle Marktakteure, Klarheit und Transparenz beim Marktmodell und einheitliche, diskriminierungsfreie Netzzugangsbedingungen für alle Endverbraucherinnen und Endverbraucher schaffen. Das GasVG dürfte dazu führen, dass grössere Gaskunden deutlich einfacher und transparenter ihre Lieferanten wechseln und auch kleinere Endverbraucherinnen und Endverbraucher künftig mehrere Gaslieferanten zur Auswahl haben. Es stellt die Vorgaben zur Versorgungssicherheit auf eine gesetzliche Basis und verpflichtet auch diejenigen Gasnetzbetreiber, welche noch keine Netzentwicklungsplanung haben, eine solche zu erstellen, damit der Umbau der Wärmeversorgung von Gas auf Wärmepumpen und Fernwärme in geordneten Bahnen erfolgt. Auf weitergehende Vorgaben verzichtet das Gesetz bewusst. 

Andererseits regelt das Gesetz einen generell rückläufigen Markt, welcher grundsätzlich bereits offen ist und in dem sich die Marktakteure mit den minimalen Marktzugangsregeln zumindest arrangiert haben. Das neue Marktmodell mit einem Marktgebietsverantwortlichen und einer Regulierung durch die EnCom bedingt einen nicht unerheblichen Mehraufwand. Ob die obigen Vorteile diesen Mehraufwand aufwiegen und ein genügend grosser Handlungsdruck für ein neues Gesetz besteht, hängt letztlich stark am Anspruch der Verbraucher und wird die Diskussion im Parlament zeigen. Es besteht das erhebliche Risiko, dass auch dieser Entwurf des GasVG keine Mehrheit findet und letztlich konstatiert werden muss, dass die Schweiz den Zeitpunkt zur Einführung einer geeigneten Regelung des Gasmarktes wohl schlicht verpasst hat. Sollte dies der Fall sein, dürfte der Druck auf die Branche rasch steigen, auf der Grundlage des Rohrleitungsgesetzes (RLG) die heutigen Marktregeln zu erneuern. 


 

Verweise

Bildnachweis: Shutterstock

(1)      Vgl. Medienmitteilung «Erneute Vernehmlassung zum Gasversorgungsgesetz» des BFE vom 19.9.2025

(2)     Vgl. dazu unsere damalige Einschätzung: EVU Partners (2020) Ist der Schweizer Gasmarkt nun offen? Erhältlich unter www.evupartners.ch.

(3)      UVEK (2025): Gasversorgungsgesetz: Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens, S. 25

(4)      Plus Tessin und Kreuzlingen, welche nicht oder kaum mit dem Schweizer Gasnetz verbunden sind und die daher nicht in das Marktgebiet integriert werden.

(5)      Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG), Art. 3 mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050

(6)      Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz), Art. 3 mit dem Ziel, dass die Treihausgasemissionen im Jahr 2030 höchstens 50% der Treibhausgasemissionen im Jahr 1990 betragen dürfen.

(7)      Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn), Ausgabe 2025, Art. 1.29 und Art. 1.30

(8)      Medienmitteilung des Bundesrats vom 21. Juni 2023: Bundesrat legt Eckwerte des Gasversorgungsgesetzes fest

(9)      Endverbrauch an Erdgas im Jahr 2024: 26'524 GWh; Einspeisung an Biogas in Schweiz und Liechtenstein 2024: 529 GWh; Quelle: VSG (2025): Statistik 2025, S. 19 und S. 23

(10)      Bundesrat (2025): Entwurf des Bundesgesetzes über das Entlastungspaket 2027 für den Bundeshaushalt, S. 7

(11)         Vereinbarung zum Netzzugang beim Erdgas zwischen VSG und Interessensgemeinschaften der Industrie aus dem Jahr 2012

 

Gasmarkt Schweiz 2021

Gasmarkt Schweiz 2021

Wir freuen uns, Ihnen mit der vorliegenden Gasmarktstudie Schweiz bereits die 4. Ausgabe unserer Umfrage zur aktuellen Situation und den zukünftigen Herausforderungen der Schweizer Gasbranche präsentieren zu dürfen.