Sind Investitionen in erneuerbare Produktion in der Schweiz sinnvoll?

Sind Investitionen in erneuerbare Produktion in der Schweiz sinnvoll?

Pro und Contra

Die meisten Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) in der Schweiz verfügen über keine Eigenproduktion und beschaffen ihren gesamten Strombedarf am Markt. Zukünftig werden allgemein höhere Strompreise erwartet. Der Bundesrat strebt ein Klimaziel von «Netto-Null» bis 2050 an. Der aktuelle «grüne» Megatrend dürfte auch die Umsetzung in der Schweizerischen Energiepolitik massgeblich beeinflussen. Insbesondere die Nachfrage nach erneuerbaren Energien dürfte mittelfristig weiter steigen. Für Stromkäufer stellt sich vor diesem Hintergrund aktuell mehr denn je die Frage, ob vermehrte Investitionen in eigene erneuerbare Produktionen oder langfristige Beschaffungsverträge sinnvoll sein könnte. Wir beleuchten Pro und Contra dieser strategischen Fragestellung und zeigen auf, wie EVU, Energie- und Versorgungsindustrie entsprechende Projekte erfolgreich umsetzen können.

Autoren: Thomas Marti, Domenic Keller


 

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1. Ausgangslage

Mit der Fridays-for-Future-Bewegung gehen weltweit Millionen von jungen Menschen auf die Strasse, um sich für die Einhaltung der Klimaziele einzusetzen und als Konsequenz u.a. die Beendigung fossiler Brennstoffe sowie einen starken Zubau erneuerbarer Energien zu fordern. Noch nie wurde öffentlich in Politik, Wirtschaft in der Gesellschaft das Thema der Klimaerwärmung und die Umsetzungsmassnahmen der weltweiten Dekarbonisierung so breit und umfassend diskutiert wie im Jahr 2019. Nachhaltiges Wachstum wird vermehrt als optimales Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, gesellschaftlichem Engagement und Politik gesehen. Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 28. August 2019 beschlossen, auf Basis des neusten Berichtes des Weltklimarats bis 2030 den Treibhausgasausstoss gegenüber 1990 zu halbieren; ab 2050 soll die Schweiz netto keine Treibhausgase mehr ausstossen («Netto-Null»). An der UNO-Klimakonferenz vom 23. September verpflichten sich 66 Mitglieder der Vereinten Nationen, darunter auch Russland, bis 2050 klimaneutral zu werden, somit netto keine Treibhausgase mehr zu produzieren. Der gesellschaftliche Wandel führte auch bei den National- und Ständeratswahlen zu grossen Sitzverschiebungen zugunsten von ökologisch ausgerichteten Vertretern im Parlament, welche die Schweizer Energiepolitik zusätzlich beeinflussen dürften.

Mit dem langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie (1) wird die Schweiz ohne Zubau von anderen Kraftwerken abhängiger vom Ausland. Zudem werden auch die ausländischen Produktionskapazitäten geschmälert. Stichworte hierfür sind der beschlossene Ausstieg Deutschlands aus der Kern- und der Kohlekraft, der limitierte Stromtransport aus Offshore-Windanlagen von Norden nach Süden, und der absehbare Rückgang der Kernenergiekapazität in Frankreich. An diesem Trend dürfte sich in absehbarer Zukunft nichts ändern.

In der Schweiz geht der Zubau neuer Produktionskapazität nur schleppend voran. Insb. Windenergieanlagen scheitern aufgrund grösserer Widerstände diverser Anspruchsgruppen. Die Wasserkraft kämpft mit hohen regulatorischen Auflagen, welche nun durch das Parlament für den Ersatz von Wasserkraftanlagen gelockert werden. Das Ausbaupotenzial ist jedoch beschränkt. Tendenziell ist eher mit einem Rückgang als mit einem Zubau zu rechnen.

Für die Schweiz besteht somit das Risiko, dass der zukünftige Strombedarf nicht mehr gedeckt werden kann, denn nebst sinkender Produktionskapazitäten gehen alle Prognosen davon aus, dass der Bedarf eher steigen wird. Die Entwicklung wird getrieben durch erhöhte Elektrifizierung des Immobiliensektors, weil durch den Einsatz von Wärmepumpen die Substitution von Öl- und Gasheizungen vorangetrieben werden kann. Auch die Umstellung vom Verbrennungsmotor auf Elektromobilität wird zu einem zusätzlichen Strombedarf von je nach Szenario 1.5 bis 5.5 TWh führen, was rund 3 – 10% des heutigen Landesverbrauchs entsprechen würde.(2) Die Empa geht von einer Gesamterhöhung des Stromverbrauchs durch Wärmepumpen und Elektromobilität im Umfang von rund 13.7 TWh aus.(3) Letztlich darf zudem der Bedarf an Energie einer wachsenden Wohnbevölkerung nicht ausser Acht gelassen werden. Es stellt sich daher nicht die Frage ob, sondern wie der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem Strom in der Schweiz gedeckt werden kann.

Nicht nur lokales Fleisch und Gemüse liegt im Trend. Die Bevölkerung macht sich auch beim Produkt Strom vermehrt über dessen Herkunft, CO2-Abdruck und damit der Produktion Gedanken. EVU vermarkten Strom aus eigenen Kraftwerken (sog. Strom aus der Region). Da die inländische Wasserkraft aktuell den Stromverbrauch der Schweiz im Jahresverlauf durchschnittlich nur zu rund 60% (4) zu decken vermag, dürften inländische Hydro-Zertifikate zukünftig gefragter und somit noch teurer werden.(5)

In Summe deuten bestehende Entwicklungen auf eine Verknappung von erneuerbarem Strom durch die Abnahme der Produktionskapazitäten und die erhöhte Nachfrage und somit einen Preisanstieg hin. Die Sicherung des Zugangs zu Ökostrom zu stabilen Preisen dürfte somit für viele Schweizer EVU, versorgungsintensive Industrie und Infrastruktur an Bedeutung gewinnen.

Frühzeitige Investitionen in erneuerbare Energien im Inland zwecks Sicherung des Zugangs zu erneuerbarer Energie könnten daher entscheidend sein. Welche Voraussetzungen EVU, versorgungsintensive Industrie und Infrastruktur dafür erfüllen sollten, wie sie vorgehen können und was dies für sie bedeutet, wird in diesem Artikel diskutiert.

2. Chancen und Risiken einer Investition

Die Risikosituation bei einer langfristigen Investition in die Stromproduktion hängt wesentlich von der energiewirtschaftlichen Ausprägung des beteiligten Unternehmens ab. Z. B. verfügt jedes Energieversorgungsunternehmen über ein Produktions-/Beschaffungs- und Kundenportfolio, welches sich entweder in einer long- oder einer short-Position befindet. Ersteres bedeutet, dass die Lieferverpflichtungen ein grösseres Volumen umfassen als die verfügbare Eigenproduktion, bei Letzterem besteht die umgekehrte Situation. Long- und short-Positionen beinhalten charakteristische Risiken. Ein Produktionsüberschuss generiert für das Unternehmen Gewinne, wenn der Marktpreis höher ist als die Kosten der Produktion. Umgekehrt können EVU mit einer short-Position nicht von hohen Marktpreisen profitieren, da sie dieselben hohen Preise bei der Beschaffung bezahlen. Die Situation wird unter der heutigen Regulierung in der Schweiz durch die aktuelle Teilmarktöffnung verzerrt, indem an grundversorgte Kunden die effektiven Beschaffungskosten einfach weitergegeben werden. Dieses Regulierungsmodell wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren durch eine vollständige Marktöffnung abgelöst, zumindest wenn es nach dem Willen des Bundesrates geht.(6) Insofern dürfte dieser natürliche Hedge für den Versorger in den nächsten Jahren wegfallen, was bei der Risikobeurteilung berücksichtigt werden muss.

Geht man aus genannten Gründen von langfristig steigenden Energiepreisen (7) im Strommarkt aus, dann bieten Besitz oder langfristiger Zugang zu Produktion zu Produktionskosten eine Chance, im langfristigen Mittel die Energie zu stabilen Konditionen, zu Kosten, die unter den Marktpreisen liegen, zu beziehen. Voraussetzung dazu sind natürlich relativ tiefe Beschaffungs- resp. Bezugskosten (Produktions- bzw. Gestehungskosten). Ob diese Bezugskosten Potenzial für langfristige Gewinne haben lässt sich einfach durch Vergleich von langfristigen Preisszenarien mit den Bezugskosten ermitteln. Dies ist finanzmathematisch einfach, die zugrundliegenden Prognosen sind aber mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Viele Energieversorger bzw. deren Eigentümer haben verbindliche Anteile von CO2-freier Energie in ihrem Liefermix festgelegt, teilweise die Grundversorgung bereits CO2-frei definiert. Die langfristige Sicherung einheimischer erneuerbarer Produktion stellt eine Möglichkeit dar, diese Ziele langfristig zu erreichen. Dadurch eröffnen sich für Versorger auch neue Möglichkeiten im Marketing, indem der eigene Liefermix nicht nur durch zugekaufte und «anonyme» Herkunftsnachweise (HKN), sondern durch Schweizer Strom oder gar die effektive Beteiligung an einem real existierenden lokalen Kraftwerk dokumentiert wird – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, ist die Ökologisierung des Strombezugs für die Stromkunden doch grundsätzlich (8) freiwillig.

Neben dem bereits erwähnten Marktpreisrisiko tragen Besitzer von Langfristbezugsverträgen resp. Anteilen an physischen Kraftwerken natürlich auch alle Risiken, die oftmals mit dem Betrieb dieser Anlagen zusammenhängen. Dazu gehören kurzfristige Ausfälle aus technischen oder natürlichen Gründen, wie auch langfristige Produktionseinschränkungen, etwa durch neue Regulierungen (Restwassermengen) oder klimatische Veränderungen. Hinzu kommen rechtliche Risiken, etwa potenzielle Altlasten. Dazu gehören insb. finanzielle Sanierungen von Pensionskassen oder das Vorliegen von kontaminierten Grundstücken. Wird das betreffende Kraftwerk zum Zeitpunkt der Übernahme gefördert, dann kann der ungeplante Wegfall der Förderung ebenfalls ein Risiko darstellen. Letztlich bestehen in der Schweiz, gerade in Bezug auf die Wasserkraft, offene steuerrechtliche Risiken im Kontext der verbreiteten Partnerwerksstrukturen.

In jedem Fall ist vor dem Entscheid einer Investition in eine langfristige Bezugsverpflichtung oder Beteiligung eine fundierte strategische Beurteilung und eine vertiefte Überprüfung der konkreten Risiken (Due Diligence) empfohlen.

3. Wie und wann sollen EVU investieren?

Zunächst sollte jedes Unternehmen, das eine Investition erwägt, seine Ausgangslage klären. Dazu gehört in erster Linie eine klare Beschaffungs- und Produktestrategie (9), welche die Unternehmens-interne Situation und die Erwartungen an das langfristige Energiegeschäft, ihre Produkte auf den Punkt bringt. Weitere Punkte, die das Unternehmen intern klären muss, ist die interne Marktsicht, die politischen und regulatorischen Vorgaben und vor allem die Ansprüche, welche alle Stakeholder an das Unternehmen stellen. Damit kann die Frage nach dem Bedarf langfristiger Beschaffungsinvestitionen bereits im Grundsatz beantwortet werden. Eine Investition bedingt in jedem Fall, dass sich das Unternehmen langfristig als aktiver Marktteilnehmer im Energiemarkt sieht, ansonsten ist ein Ausbau des Portfolios nicht zielführend.

Aus energiewirtschaftlicher Sicht muss hinreichend klar sein, über welche Kundenstruktur das Unternehmen heute und in Zukunft verfügen wird. Teilweise wird die energiewirtschaftliche Situation durch Handelsgeschäfte, Weiterverteiler sowie einzelne Grosskunden geprägt, deren Zu- und Abgang grössere Konsequenzen auf das gesamte Portfolio haben können. Die energiewirtschaftliche Situation definiert auch die sinnvolle Grösse des Investments im Sinn der Bezugsmenge. Dabei sollte nicht das gesamte Bezugsvolumen über ein einzelnes Kraftwerk beschafft werden, um eine gewisse Diversifizierung zu erreichen.

Aus operativer Sicht sollte eine klare Vision vorliegen, welche Prozesse das Unternehmen zukünftig selber oder über seine Partner heute und in Zukunft beherrschen wird. Falls ein langfristiger Bezugsvertrag oder gar die direkte Beteiligung an einem Kraftwerk angestrebt wird, muss, abhängig von der Art des Engagements, ein Spektrum an Prozessen, vom Asset Management über Prognoseprozesse bis hin zur Kraftwerkseinsatzplanung, Fahrplanmanagement und Prozesse rund um die Regelenergie beherrscht werden. Die mit dem Aufbau verbundenen Kosten sollten in den Business Case einfliessen.

Die finanzielle Situation des Unternehmens gibt den finanziellen Rahmen vor, der für die Beschaffungsinvestition zur Verfügung steht. Vereinfacht kann eine Investition aus Eigen- oder Fremdmitteln finanziert werden, wobei konkurrierende Investitionsvorhaben anderer Sparten berücksichtigt und priorisiert werden müssen. Ein Kauf, der mit einer einmaligen Zahlung abzugelten ist, stellt andere finanzielle Anforderungen als ein langfristiger Vertrag mit jährlicher Zahlungsverpflichtung. Auch entstehen andere Anforderungen, wenn ein Bezug optional oder verpflichtend ist, folglich ein Absatzrisiko besteht.

Zur Beteiligung an Solar-, Wasserkraft- oder Windanlagen sind diverse Strukturen möglich. Ein Unternehmen kann eigene Projekte realisieren, sich an einem bestehenden Kraftwerk beteiligen, ein bestehendes Kraftwerk pachten, eine Unterbeteiligung an einem bestehenden Kraftwerk eingehen oder einen langfristigen Liefervertrag (sog. power purchase agreement, PPA) eingehen. Nicht alle Möglichkeiten bestehen bei allen Produktionstechnologien und nicht für alle Optionen sind in der Schweiz konkrete Opportunitäten verfügbar. Letztlich ist dabei die bestehende Struktur der Anlagen und Akteure, deren Situation, die Verfügbarkeit von Neu- oder Ausbauprojekten sowie die Markteinschätzungen entscheidend. Den meisten Investitionsformen ist gemeinsam, dass Investitionsgelegenheiten in der Schweiz aktiv gesucht werden müssen, da der Markt für solche Beteiligungen generell nicht liquide ist.

Nicht zuletzt sollte ein Investitionsvorhaben für den Investor werthaltig sein. Die Werthaltigkeit wird einerseits durch den Kaufpreis bzw. die Höhe der vertraglich vereinbarten, wiederkehrenden Zahlungen, andererseits durch den Marktpreis für Strom und HKN sowie ggf. die Höhe der Fördergelder bestimmt. Da alle Zahlungsströme in der Zukunft anfallen kann die Werthaltigkeit nur modelliert und somit geschätzt werden. Hier sollte das EVU mit geeigneten Szenarien arbeiten, welche konsistent zur Marktsicht des Unternehmens sind.

4. Kundenbeispiel: Stadtwerk Winterthur

Als konkretes Beispiel für ein kürzlich erfolgreich realisiertes «Beteiligungsvorhaben» ist der zwischen Stadtwerk Winterthur und dem Tessiner Energieproduzenten und -versorger Azienda Elettrica Ticinese (AET) abgeschlossene Langfristvertrag für Schweizer Wasserkraft. Stadtwerk Winterthur verfolgte dabei die Strategie, die Eigenproduktion aus erneuerbarer Energie auszubauen. Diese Strategie wurde in den vergangenen Jahren über Beteiligungen an Beteiligungsgesellschaften, die im Ausland in Wind- und Solaranlagen investieren, umgesetzt. Ergänzend wollte Stadtwerk Winterthur sich an einheimischer Wasserkraft beteiligen. Ökonomisch ist die Strategie durch die Risikoreduktion des gesamten Energieportfolios begründet. Dieses trägt eine ausgeprägte short-Position, d.h. die kontrahierten Liefermengen an Kunden in der Grund- und Marktversorgung überwiegen die Eigenproduktion bei weitem. Zudem möchte Stadtwerk Winterthur aufgrund politischer Vorgaben den Zugang erneuerbaren Quellen im Portfolio langfristig absichern.

Artikel_Landbote_Stadtwerk

Abbildung 1: Titel des Artikels im Landboten vom 15.07.2019

Stadtwerk Winterthur verfolgte dabei mehrere Ansätze, u.a. die direkte Beteiligung an Schweizer Wasserkraftwerken und den Abschluss von langfristigen Lieferverträgen mit Unternehmen, die solche aus definierten, eigenen Quellen abzuschliessen bereit waren. In beiden Fällen mussten potenzielle Anbieter aktiv angegangen werden, da in der Schweiz kein transparenter, liquider Markt dafür besteht. Letztlich konnte mit der AET ein Liefervertrag über jährlich 50 GWh Strom über 20 Jahre abgeschlossen werden. Die Lieferung erfolgt dabei ausschliesslich aus Grosswasserkraftwerken im Kanton Tessin, die durch AET betrieben werden oder an denen AET beteiligt ist. Neben der kontrahierten Energie sind auch die entsprechenden HKN enthalten.

Stadtwerk Winterthur verfolgte dabei den in Abbildung 2 vereinfacht dargestellten Prozess.

Abbildung_Prozess_Abschluss_Liefervertrag

Abbildung 2: Vereinfachter Prozess, der zum Abschluss des langfristigen Liefervertrags führte

Ausschreibung: Stadtwerk Winterthur spezifizierte seine Bedürfnisse in einem Anforderungskatalog. Interessierte Unternehmen wurden aufgefordert, ein unverbindliches Angebot einzureichen.

Auswertung der Angebote: Die unverbindlichen Angebote wurden anhand des Anforderungskataloges qualitativ und bezüglich des offerierten Preises quantitativ bewertet. Die quantitative Bewertung wurde in verschiedenen Szenarien unter Anwendung bewährter Bewertungsmodelle durchgeführt, wobei langfristig modellierte Marktpreiskurven eingesetzt wurden. Dadurch konnte Stadtwerk Winterthur ermitteln, welche Angebote langfristig gegenüber der traditionellen Beschaffung am Markt einen Mehrwert versprachen. Die wirtschaftlich attraktivsten Angebote wurden für die folgende Due Diligence (vertiefte Prüfung) eingeladen.

Due Diligence: Die vertiefte Prüfung hat im Kern den Zweck, potenzielle Risiken zu identifizieren, zu bewerten und soweit möglich vertraglich zu begrenzen. Sie wurde aus energiewirtschaftlicher, finanzieller und rechtlicher Sicht durchgeführt. Aus energiewirtschaftlicher Sicht interessierte vor allem die zu erwartenden Schwankungen der Produktionsmengen und damit verbunden des Lieferpreises. In der finanziellen Due Diligence standen Prüfung und Prognose von Vermögen, Ertrag, Cashflow, Liquidität, Eigenkapital- und Fremdkapitalaufbringung und die Finanzierungsstruktur im Vordergrund. Im Rahmen der rechtlichen Due Diligence wurden alle relevanten Verträge der jeweiligen Kraftwerksgesellschaften analysiert und die rechtlichen Risiken identifiziert.

Vertragsabschluss: Parallel zur vertieften Prüfung wurde ein Liefervertrag aufgesetzt, verhandelt, und letztlich erfolgreich abgeschlossen.

Der ausgehandelte Vertrag stellt aus heutiger Sicht eine Win-Win-Situation für beide beteiligten Parteien dar. Stadtwerk Winterthur kann gemäss der eigenen langfristigen Beschaffungsstrategie Beschaffungsrisiken aus dem eigenen Portfolio nehmen und optimiert seine CO2-Bilanz, während AET den eigenen Produktionsüberschuss und somit ebenfalls Risiken reduzieren kann. Selbstverständlich werden die Preisentwicklungen am Strommarkt die konkreten, erwarteten wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Vertragspartner zusätzlich beeinflussen.

5. Fazit

Investitionen in einheimische erneuerbare Produktion können aus wirtschaftlichen, risikoorientierten und ökologischen Gründen eine Chance für Unternehmen darstellen. Es ist jedoch wichtig, dass der Prozess auf einer soliden Basis professionell angegangen wird.

Das gesamte Verfahren, von den strategischen Grundlagen bis zum rechtlich bindenden und ggf. institutionell abgesegneten Inkrafttreten des Vertrags, bedeutet einen relativ grossen Aufwand und fordert Fachleute und Management über einen mehrmonatigen Zeitraum. Entsprechend lohnt sich ein solches Vorhaben i.d.R. erst ab einer gewissen Bezugsmenge bzw. Lieferdauer.

Jedes Unternehmen, das in eigene erneuerbare Produktion investieren möchte, sollte über belastbare Grundlagen dafür verfügen. Die eigene Strategie sollte geklärt und ggf. angepasst werden. Die mit einem Investment verbundenen Risiken müssen klar kommuniziert und akzeptiert werden. Danach kann der M&A-Prozess, z. B. gemäss dem oben beschriebenen Vorgehensansatz, eingeleitet werden.

Nicht zuletzt zeigt die Erfahrung, dass ohne den entschiedenen Willen der Entscheidungsträger und ohne das Vertrauen in einen Geschäftspartner, mit welchem man sich langfristig bindet, sich ein entsprechendes Projekt nicht erfolgreich umsetzen lässt.

Verweise

Bildnachweis: Bild von Alberto Masnovo auf istockphoto.com

(1) Das Gesetz sieht zurzeit kein festes Stilllegungsdatum für die Schweizer KKW vor, verbietet jedoch der Zubau neuer Kernanlagen (Art. 12a Kernenergiegesetz)
(2) https://www.ebp.ch/sites/default/files/unterthema/uploads/2018-03-05_EBP_CH_EmobSzen_PKW_2018_1.pdf
(3) https://www.empa.ch/de/web/s604/energieversorgung
(4) BFE: Faktenblatt «Energieversorgung der Schweiz und internationale Entwicklung»
(5) Siehe auch https://www.evupartners.ch/herkunftsnachweise-hkn-gewinnen-an-relevanz/
(6) https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/energie/oeffnung-strommarkt.html
Kurz- und mittelfristige Preiszyklen sowie tendenziell steigende Volatilitäten bleiben vorbehalten.
(7) Im Rahmen der heutigen Grundversorgung sind sogenannte «Default»-Produkte seitens der Versorger möglich. Eine Wahlmöglichkeit für Kunden ist üblich, jedoch nicht zwingend. Dieses Modell dürfte ab 2023 mit der vollständigen Marktöffnung abgelöst werden. Inwiefern dabei ein Quotenmodell o.ä. politisch wieder aufs Parkett kommt, ist heute schwierig abzuschätzen. Der Bundesrat hat sich bisher gegen ein solches ausgesprochen.
(8) Ggf. ist auch eine Spartenstrategie hilfreich

 

Domenic Keller

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