Die kommunale Energieplanung – aufwendige Pflichtübung oder zentrales Instrument der lokalen Klimapolitik?

Die kommunale Energieplanung – aufwendige Pflichtübung oder zentrales Instrument der lokalen Klimapolitik?

Ältere kommunale Energieplanungen wirken etwas verstaubt. Sie wurden vor 10 oder 15 Jahren in einem aufwendigen Prozess erstellt, verabschiedet und in der Schublade versorgt. Der breiten Bevölkerung war sie nicht bekannt. Inzwischen hat sich die Relevanz deutlich erhöht, denn es gilt das «Netto-Null-Ziel» bis 2050 auch in allen Gemeinden zu erreichen. Datengrundlagen sind heute öffentlich verfügbar und tagesaktuell. Mit der Festlegung von Prioritätsgebieten für die Wärmeversorgung hat die Planung handfeste Konsequenzen. Online-Abfragetools ermöglichen es Bürgerinnen und Bürger, die Planung als erste Informationsquelle bei Dach- oder Heizungssanierungen zu nutzen. Es lohnt sich, die Energieplanung auf ein neues, digitales Niveau zu bringen und ihr zusammen mit Energieversorgern, Planern und Installateuren Taten folgen zu lassen. 


 

1. Was ist eine kommunale Energieplanung? 

Mit einer Energieplanung hält eine Gemeinde fest, wie ihr Strom- und Wärmebedarf ist, wie sich dieser künftig entwickeln wird, welche Energien auf dem Gemeindegebiet nutzbar sind und welcher Energieträger in welchem Teil der Gemeinde prioritär zu nutzen ist. Im Fokus steht dabei die Wärmeversorgung. Eine Energieplanung kann formell ein Teil des kantonalen Richtplans sein oder unabhängig davon erstellt werden. Es handelt sich um ein Dokument, in welchem Ziele, Entwicklungen und Massnahmen beschrieben werden, und eine Karte, welche zeigt, in welchem Gebiet welche Energieträger prioritär eingesetzt werden sollen.  

Abbildung 1: Typische Massnahmenbereiche eines Energieplans 

Die Energieplanung kann mit entsprechenden Zielsetzungen und Vorgaben auch als «Energiestrategie» verstanden und kommuniziert werden. Analog zur «Energiestrategie 2050» des Bundes werden kommunale Energieplanungen durch eine einzelne Gemeinde oder eine Region erarbeitet. 

2. Wozu macht man eine Energieplanung? 

Angesichts der mehrfachen Herausforderung, die Energieversorgung erneuerbar zu gestalten, den dazu notwendigen Strom zu verteilen und gleichzeitig die Gebäude ökologisch zu heizen, Elektromobilität zu ermöglichen und industrielle Prozesse klimaneutral zu betreiben, bietet sich eine Energieplanung als Koordinationsinstrument an. Im Zentrum steht die Frage, in welchen Gemeindegebieten neue Wärmenetze nötig sind. Wo ist die Wärmedichte genügend hoch, dass sich ein Wärmeverbund lohnt? Welche Energiequellen stehen für einen Wärmeverbund zur Verfügung – eine Kehrichtverbrennung, Grundwasser, Holz oder andere? Wo ist es sinnvoller, dass die Liegenschaftsbesitzer selbst eine ökologische Wärmelösung – meist eine Wärmepumpe – suchen? Wo sind Wärmepumpen allenfalls nicht möglich? Mit welchen Partnern können solche Lösungen realisiert werden? Was gibt der Markt her und wo braucht es Anschub? 

Abbildung 2: Wärmebedarf je Hektar am Beispiel der Gemeinde Biberist; Quellen: geoimpact, BfS 

Sobald Gebiete für einen Wärmeverbünde eingegrenzt wurden, müssen dies die Liegenschaftsbesitzer erfahren, damit sie bei einem Heizungsersatz an die Option Wärmeverbund denken. Für die Rentabilität des Wärmeverbunds ist es entscheidend, dass die Liegenschaftsbesitzer im vorgesehenen Gebiet mehrheitlich an den Wärmeverbund anschliessen, wenn sie ihre Öl- oder Gasheizung ersetzen. Die Energieplanung stellt ein gutes Instrument für die Kommunikation von geplanten Wärmeverbundsgebieten dar.  

Falls in den künftigen Wärmeverbundsgebieten ein Gasnetz vorhanden ist, ist das Gespräch mit den Gasnetzbetreibern zu suchen. Zwei Netze – Gas und Wärme – dürften im gleichen Gebiet kaum wirtschaftlich zu betreiben sein. Die Energieplanung hilft den Gasnetzbetreiber, den Umfang des künftigen Netzes und Stilllegungen zu planen.  

Schliesslich erfüllen Gemeinden mit einer kommunalen Energieplanung in einigen Kantonen wie Bern oder St. Gallen ihre Pflicht dem Kanton gegenüber. Die Energieplanungspflicht in im Modul 10 der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) geregelt und wurde teilweise von den Kantonen in ihren Energiegesetzen umgesetzt. Andere Kantone setzen auf Freiwilligkeit und Unterstützung der Gemeinden (z.B. Luzern).  

Gemeinden, welche das Energiestadtlabel anstreben, sind im Rahmen des Energiestadtprozesses ebenfalls angehalten, eine Energieplanung zu erstellen. In dieser werden unter anderem Entwicklungsziele und -massnahmen für die Energieversorgung der Gemeinde, aber auch für die gemeindeeigenen Liegenschaften und für die Mobilität definiert. Dank der regelmässigen Rezertifizierung und der Begleitung durch Energiestadtberater wird die Massnahmenumsetzung nachverfolgt. In der Schweiz gibt es aktuell 578 Energiestädte.(1) 

Auch im Gasversorgungsgesetz, welches nächstes Jahr im Parlament behandelt werden soll, ist eine Energieplanungspflicht für Energieversorger, Gemeinden und Fernwärmebetreiber in heute gasversorgten Gebieten vorgesehen.(2)

3. Wie macht man eine Energieplanung? 

Die Digitalisierung hat die Energieplanung einerseits deutlich erleichtert, indem Datenquellen und ansprechende grafische Aufbereitungen öffentlich verfügbar sind. Andererseits gibt es zahlreiche Angebote von Bund, Kantonen und Privaten, was den Überblick erschwert.  

Teilweise bieten die Kantone ihren Gemeinden energiebezogene Daten an und stellen diese den Gemeinden für die Energieplanung über ein Geoinformationssystem (GIS) zur Verfügung. Je nach dem sind auch bereits CO2-Bilanzen und Entwicklungsszenarien hinterlegt. Ein positives Beispiel ist der Kanton Luzern, welcher den Gemeinden über sein Energieportal Auswertungen zu den Energieträgern und zum Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser zur Verfügung stellt. Unten eine Auswertung, welche den Wärmebedarf je Gebäude (gelb = niedrig, rot = hoch) sowie die heutigen Energiequellen der Heizungen (violett = Heizöl, blau = Fernwärme, grün = Wärmepumpe etc.) darstellt. 

Abbildung 3: Energiequelle der Heizungen und Wärmebedarf; Quelle: Amt für Raum und Wirtschaft Kanton Luzern 

Die Handhabung eines GIS ist für Laien allerdings nicht immer ganz selbstredend. GIS-basierte Tools gibt es auch von privaten Anbietern, welche alle energierelevanten Daten eines Gebäudes sammeln, aggregieren und geografisch darstellen und auch die notwenigen Hilfestellung bei der Bedienung liefern.  

Die Daten sowohl in den privaten wie auch in den kantonalen Tools basieren auf dem eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister. Nicht in jeder Gemeinde sind diese Daten vollständig und aktuell gepflegt. Gewisse Daten wie der Wärmebedarf beruhen zudem nicht auf gemessenen Energieverbräuchen, sondern auf Abschätzungen aufgrund der Gebäudegrösse und des Baujahrs. Für eine erste Eingrenzung attraktiver Wärmeverbundsgebiete reichen diese Angaben jedoch aus. 

Die Datenerhebung und -darstellung ist nur ein Teil des Energieplanungsprozesses. Der Energieplan ist mit den relevanten Stakeholdern – insbesondere den Energieversorgern – abzustimmen, politisch in der Gemeinde und allenfalls beim Kanton zu genehmigen und zu kommunizieren. Allenfalls können Fördergelder für die Erstellung des Energieplans beantragt werden.  

Abbildung 4: Ablauf einer Energieplanung inkl. Umsetzung und Überwachung 

Die Kommunikation des Energieplans ist eine wesentliche Aufgabe, damit sich die Liegenschaftseigentümer im Zeitpunkt eines Heizungsersatzes informieren können, wo welche Energiequelle zur Verfügung steht. Für die Kommunikation gibt es Tools, welche mit einer Adressabfrage aufzeigen, welche Energiequellen bei einem Gebäude möglich sind und ob eine Wärmeerschliessung geplant ist.  

4. Wer macht die Energieplanung? 

Die kommunale Energieplanung ist Aufgabe der Gemeinde. Sie kann sich dabei von Externen im Prozess und bei der Datenerhebung begleiten lassen. Im Idealfall erfährt die Gemeinde aktive Unterstützung durch ihren Energieversorger. Dieser liefert nicht nur detaillierte Energieverbrauchsdaten, sondern bringt, sofern er in diesem Geschäft bereits tätig war, wertvolles Fachwissen aus der Wärmeversorgung mit. Für den Energieversorger bietet sich die Chance, in den attraktiven Wärmegebieten selbst Verbünde zu realisieren. Er kann so die wegfallenden Erträge aus dem Gasgeschäft teilweise kompensieren oder als Elektrizitätsversorger ein neues Geschäftsfeld erschliessen.  

5. Fazit 

Eine kommunale Energieplanung nur als Pflichtübung anzusehen würde den Möglichkeiten dieses Instruments nicht gerecht. Die Gemeinde (und ihre Energieversorger) brauchen eine klare Strategie, wie auf ihrem Gebiet «Netto-Null» bis 2050 konkret erreicht werden soll. Sie können damit eine Führungsrolle bei der Gestaltung der erneuerbaren Wärmeversorgung übernehmen. Die Planung muss kein Papiertiger bleiben, sondern kann nutzerfreundlich aufbereitet werden und Bürgerinnen und Bürger wertvolle Hilfestellungen beim Heizungsersatz oder bei der Planung einer Photovoltaikanlage geben. Es lohnt sich also, die Energieplanung anzugehen, den Staub älterer Planungen abzuschütteln, sie in ein digitales Zeitalter zu überführen und sie als kontinuierlicher Strategie- und Planungsprozess einer Gemeinde und ihrer Versorger zu etablieren.  


 

Bildnachweis: Image Creator aus Designer (Bing)